Habt ihr schon einmal eine Entscheidung getroffen, von der ihr wirklich überzeugt wart? – Doch es klopft euch niemand auf die Schulter…
Ganz im Gegenteil.
„Krakau? Wie kommt man auf Krakau? Was willst du denn da?!“ – Diese Fragen habe ich vor meiner Reise des öfteren gehört…
Doch ich wollte unbedingt! Polen war bislang immer noch ein weißer Fleck auf meiner Landkarte. Von Krakau hatte ich persönlich durch einige Freunde echt Gutes gehört. Dann auch selbst auf den ersten Blick lohnenswerte Aktivitäten und kulinarische Highlights erstöbert, günstiger Flug zu haben und wir hatten quasi gebucht. Man muss ja nicht immer alles bis ins letzte Detail vorab durchplanen, auch wenn es mir manchmal schwer fällt.
ANKUNFT
Von Mailand aus ging es via Bergamo nach Krakau. Gerade noch irgendwie das viel zu schwere Gepäck, mit mehr Glück als Verstand durch den Self-Check-In bugsiert und ab in den Flieger. In Krakau am späten Abend angekommen den erstbesten Bus genommen und auf kurioser Route irgendwie in die Stadt. GPS sei dank! irgendwann noch rechtzeitig den Absprung nahe der Kernstadt gemacht, bevor der Bus in umgekehrter Richtung eine Schleife zurück gen Airport fuhr. Auf ging es per Fußmarsch durch das dunkle und nasskalte Krakau.
Auch wenn uns die ersten Straßen noch nicht so ganz geheuer waren, merkten wir sehr schnell… Diese Stadt versteckt so einige Schätze in der Dunkelheit der Nacht. Nachdem wir gefühlt fünfmal an der unscheinbaren Eingangstür unseres Hostels alias Apartments vorbei gelaufen waren, hatten wir es endlich gefunden. Die nächste Überraschung: Das Apartment war mega geräumig und top ausgestattet (beheizte Handtuchhalter in Polen? Okaaay, warum nicht haha), hatten wir doch eigentlich nichts berauschendes erwartet für 12 Zloty die Nacht.
DIENSTAG
Erster Tag in Krakau und strahlender Sonnenschein durch unser Dachfenster. Auf in die Altstadt, sprich aus unserer Tür gehen, über den Plac Szczepański und wir waren mitten auf dem riesigen Marktplatz der Altstadt. Mit diesem sollten wir noch des öfteren unseren Spaß haben, mehr dazu später… Vom Marktplatz aus machten wir uns auf in die Nebenstraßen und fanden ein nettes Café zum Frühstücken. Das Café Michalscy (Google Maps) bot allerlei herrliches Polska Gebäck und Kuchen an. Noch dazu, konnten wir draußen in der angenehmen Frühlingssonne sitzen. Kuchen, Torten und Gebäck, so sagte mir meine Recherche, sollen einen hohen Stellenwert haben.
Find ich GUT, als Fan der Süßspeisen. Bei einer Kirsch Baisé Torte und Drożdżówka (das klassische polnische Hefegebäck für zwischendurch) wurde der Tag geplant.
Irgendwann zurück am Marktplatz angekommen schlossen wir uns einer Free Walking Tour (Tägliche Touren mit Locals) durch die Altstadt an, von welcher wir schon vorher gehört hatten. Für gut 2 Stunden ging es quer durch die Altstadt. Ausgangspunkt war der historische Marktplatz samt der Marienkirche dann folgten Stationen an der alten Stadtmauer, einer der ältesten Universitäten, dem berühmten Papstfenster und schließlich der Burg Wawel. Letztere ist die ehemalige Residenz der polnischen Könige.
JA – Krakau war über viele Jahrhunderte Polens Hauptstadt und Zentrum, nicht Warschau! Auch heute noch ist zwischen beiden Städten nicht gut Pierogi essen, sondern eine große Stadtrivalität vorhanden.
Unser Führer hatte viele gute side stories drauf – Für Schmunzeln sorgte die Anekdote, dass Teile der mittelalterlichen Stadtmauer nur überdauert hätten, da ein einflussreicher Herr aus der Königs-Gefolgschaft der Bevölkerung weiß machen konnte von Norden her würde so starker Wind in die Stadt wehen (was totaler Schwachsinn war und ist), dass die Röcke der Frauen hochwehen könnten. Für die erzkonservative Bevölkerung natürlich ein Affronts, solch Gelüste!
Und die Mauer konnte hierdurch tatsächlich in diesem Teil gerettet werden. In den weiteren Abschnitten der ehemaligen Befestigungsanlage hat die Stadt, zugunsten der abgetragenen Baustoffe, dafür immerhin einen wunderschönen Park rings um die Altstadt erhalten.
Weiterer Pluspunkt, die Altstadt hat zudem den Krieg so gut wie unbeschadet überstanden (UNESCO Weltkulturerbe), Krakau wurde glücklicherweise weder bombardiert noch gab es Kämpfe in und um die Stadt. Das Stadtbild ist so harmonisch, dass man sich im eigentlich übersichtlichen Stadtkern, gerne mal in der Straße vertun kann. Schließlich gelangten wir mit unserem Guide zur Burg Wawel dem Schlusspunkt der Stadtführung. Zurück ging es, über einen kurzen Schlenker an der Wisla entlang, geradewegs in mein Restaurant der Wahl.
Kennt ihr das den ganzen Tag durch eine fremde Stadt zu laufen und sich dann einfach nur zu freuen, nach all dem Gesehenen, irgendwo gemütlich einzukehren. Einfach das Menü aufzuklappen, sich inspirieren zu lassen und lokales Trinken & Essen zu genießen. An diesem Abend sind wir im Restaurant Czarna Kaczka (Google Maps) gelandet, um typisch Polnisch zu essen. Die Karte zeigte in der Tat was ich schon gelesen hatte… als polnischer Landsmann pflege man zu sagen:
„Von allen Gemüsesorten mag ich am liebsten Kotelett.“
Für mich gab es folgendes Menü:
Schönes Süße-Säure Spiel von Erdbeere und Balsamico verleiht den dünnen Scheibchen von der Ente ein herrliches Aroma.
Bigos ist eine typisch polnische Suppe, wobei man bei der Menge Sauerkraut darüber streiten kann ob das Ganze noch als Suppe durchgeht. Für mich war es zumindest eher ein mit verschiedenen Wurstsorten gespicktes Sauerkraut serviert in einem knusprigen Brotlaib. War echt ganz lecker, auch wenn ich sonst selten so rustikal esse…
Die Nachspeise waren dann polnische Pierogi – ja Pierogi in süß – der Nudelteig ist ja relativ neutral, sodass auch eine süße Variante problemlos möglich ist. Gefüllt in diesem Fall mit Heidelbeeren, hinterher kurz in Butter durchgeschwenkt und mit Zimtzucker bestäubt. Für meinen Gaumen hätte es vielleicht noch etwas süßer sein können – zumal dazu ja auch noch Sauerrahm gereicht wurde. Aber an sich ein gutes Dessert, hier bietet sich auf jeden Fall Potential für ein eigenes Rezept.
Den Rest des Abends verweilten wir noch in einer netten Kellerbar. Fragten uns derweil, warum wir Polen so spät als Destination entdeckt hatten. Auf dem Weg zurück zum Hostel neues aus unserem persönlichen Kapitel – „quadratisch, NICHT praktisch – NICHT gut“. 200 mal 200 Meter pure Verwirrung… der Marktplatz Rynek Glówny, einer der größten Marktplätze Europas, alle Fassaden in selben Farben gehalten und selbst die Sonnenschirme der Biergärten sind einheitlich.
Verdammt wir wussten es doch genau… und schon wieder liefen wir einmal rings um den Platz, um an jeder Ecke in beide vom Platz wegführenden Straßen zu schauen. Die Chancen lagen quasi 1:8 GEGEN uns. Und dabei mussten wir nur zwei Ecken weiter…“ Jaja im Dunkeln sieht alles gleich aus (und im Hellen ist es nicht viel besser hier haha)..
MITTWOCH
Am nächsten Morgen gab es leider keinen Sonnenschein mehr, doch das entmutigte uns nicht mit Tatendrang in den Tag zu starten.
Und wieder mal das selbe Spiel am Marktplatz: „Welche verdammte Ecke müssen wir nu abbiegen, um zum ausgespähten Lokal zu gelangen?!“ Beim dritten Versuch hatten wir es dann auch mal wieder geschafft (beide Hände vor den Kopf zusammen schlagend haha). In dem Café Placki Ziemniaczane (Google Maps) gab es verschiedene kontinentale Frühstück Varianten von der Karte, oder aber das polnische Buffet zum Selbstbedienen. Wir entschieden uns freilich für Letzteres.
Zwar wurde alles penibel auf das Gramm genau abgewogen, die Preise waren aber mal wieder sowas von entspannt, dass man keine Sorge haben musste sich zu großzügig zu bedienen. Meine Highlights waren die sehr grobe Sauerkirsch Marmelade auf einer Art polnischen Bagel, der Heringssalat mit Honig-Senf-Dressing und die Kaffeespezialtät mit Eierlikör und Sahnehaube dazu. Im Nachhinein habe ich rausgefunden, dass Bagel mehr oder minder ihren Ursprung in Polen (vermutlich sogar in Krakau) haben. Notiert euch Obwarzanek und Bajgiel, ringförmige Backwerke aus abgekochtem Hefeteig. Die Obwarzanki sind überall am Straßenrand zu bekommen, sind meist etwas größer und der Teig ist gedreht, während die Bajgle kleiner und weicher daher kommen.
Am Mittag ging es auf zur nächsten Stadttour. Dieses mal ging es thematisch um die Geschichte der Juden in Krakau. Von der Altstadt aus in das jüdische Viertel, über die Wisla, um schließlich im jüdischen Ghetto die Tour abzuschließen (und Nein! das ist nicht das selbe Viertel).
Lustigerweise hatten wir den selben Guide wie am Vortag, aber bis auf ein paar grundsätzliche Fakten zur Stadt wiederholte sich nichts. Echt eine gute und spezifische Führung. Die Geschichte der Juden in Krakau, welche im Jahre 1993 auch durch den Film „Schindlers Liste“ illustriert wurde ist durch viele schwierige Zeiten geprägt. Zunächst wurden die Juden aus der Stadt in die damals selbstständige Stadt Kazimierz isoliert, welche erst zu Zeiten Österreichs-Ungarns eingemeindet wurde. Und von dort schließlich, durch die Nazis, auf die andere Seite der Wisla in ein umzäuntes Ghetto.
Die Filmszenen aus dem Film Schindlers Liste wurden jedoch vornehmlich im jüdischen Viertel (und nicht im Ghetto) abgedreht. Shame on me – ich habe den Film (noch) nie gesehen, aber es muss wohl ziemlich cool sein die Hollywood Drehorte (ganz bewusst) abzugehen. Diverse Golf Buggies mit internationalen Touris fuhren an uns vorbei, um im jüdischen Viertel Steven Spielbergs Szenerien zu begutachten.
Doch per pedes macht es doch viel mehr Spaß! Und so schritten wir durch die Gassen des Viertels, welches heute als studentisches Szeneviertel zum Ausgehen und Wohnen gilt. Hinzu kommen ganze Gassen und Plätze, die durch die Touristen einen ungeahnten gastronomischen Aufschwung erhalten haben. Schon beeindruckend, was ein einziger Film für einen Stadtteil-Boom entfachen kann.
Die Juden waren weniger vom Glück gesegnet und mussten ihr gewachsenes Viertel mit teils schmucken Häusern und Synagogen verlassen, wurden auf die andere Seite der Wisla „geschafft“ und aus dem völlig überfüllten Quartier nach und nach deportiert. An diese traurige Geschichte erinnert das Denkmal aus Metallstühlen auf dem ehemaligen Deportationsplatz. Stühle waren nämlich das einzige Mobiliar, was die Juden vor der unfreiwilligen Deportation noch (scheinbar) retten konnten. Fast in Sichtweite von dem Platz befindet sich das Gebäude der ehemaligen Fabrik von Oskar Schindler, welches heutzutage ein Museum beherbergt. Ein To-Do für die nächste Krakau Reise, doch für uns war die Zeit am späten Nachmittag schon wieder zu weit fortgeschritten.
Nach kurzem Plausch mit unserem Guide liefen wir zurück in das jüdische Viertel, um kulinarisch einzukehren. Heute standen noch einmal Pierogi auf dem Speiseplan. Mein Kompagnon bestellte sich die vegetarische Variante mit Kartoffel-Frischkäse-Füllung, während ich die klassische Fleischvariante probierte.
Testurteil – beides sehr gut! Wir genossen noch ein paar Getränke und spazierten noch einmal durch den studentischen Nightlife Distrikt im Quartier, bis hin zum Plac Nowy (Google Maps). Das Herz des Stadtteils Kazimierz ist dieser zentrale Marktplatz mit einer ringförmigen Backsteinhütte in der Mitte. Mehrmals wöchentlich finden hier große Wochenmärkte statt, aber auch ansonsten ist der Ort Treffpunkt für den Snack (und Plausch) zwischendurch, egal zu welcher Wochen- und Tageszeit 😉 Rings um den Platz befinden sich eine große Zahl von Bars und Restaurants zum Verweilen.
Kulinarisch gibt an es diesem Platz vor allem alles, was der feierwütige Pole Nachts braucht, hauptsächlich Zapiekanka. Eine Art belegtes (Pizza-)Baguette mit Pilzen, üppig zart schmelzenden Käse und dann sobald es kross gebacken ist, getoppt wird mit Ketchup, Remoulade und Ähnlichem. Das ist zumindest die ganz klassische Variante, es gibt nämlich auch zich Abwandlungen bezüglich des Belags (je nach Verkaufsfenster der Backsteinhütte), die einem aus der Pizzeria bekannt vorkommen.
Unser lokaler Guide schwärmte so von diesem typischen Snack, sodass wir natürlich zu schlugen. Zweifelsfrei kein Gourmet Gericht, aber man kann was draus machen… Das bemerkte ich alleine durch die Basilikum Sauce, die ich dann doch ansprechender fand als Ketchup.
Im Anschluss gönnte ich mir noch fix eine Krakauer vom Grill („man ist der gefräßig“ – Ich hatte dafür nur ein halbes Baguette haha) und es ging zurück in die Altstadt.
Der Abend im Herzen der Stadt wurde wieder in der selben „Kellergemäuerbar“ verbracht und bescherte uns einen gelungenen Ausklang. So langsam fühlten wir uns beinahe heimisch, fanden sogar im Dunklen den Weg über „den Platz“, doch da war dieser Trip schon wieder fast vorbei.
ABFLUG
Am nächsten Morgen beim Rühreier Braten noch einmal fix den Feuermelder auf seine Funktionsfähigkeit getestet, Sachen zusammen geschmissen und es ging so langsam zum Flughafen.
Krakau, „das neue Berlin“ im Osten Europas. Jein, die Stadt ist nunmal eben viel kleiner, viel kompakter… aber vom Esprit her und den Möglichkeiten in dieser Stadt definitiv eine Muss für die To-Travel-List junger Menschen und wohl echt ein Orte für Kreative früher und heute!