Da bist du bestimmt blöd angeguckt worden oder?
Neee. Keine Sorge, ich habe die Messe nicht gecrashed und ich bin auch kein Wein-Verachter. (Wobei… eigentlich würde ich fast immer ein gutes Bier vorziehen, wenn ich die Wahl habe 😀 Aber das nur am Rande). Die Erklärung für die Überschrift ist schlicht und einfach, dass ich mich vor allem für die neue „same but different“ aka „craft-area“ der Messe interessiert habe. Und da starten wir ins Thema…
Habt ihr euch auch schon einmal gefragt: Warum wir Deutschen bei vielen Getränken, vor allem beim Bier, so probierscheu sind? Zumindest im Großen und Ganzen. Drei Erklärungsansätze habe ich heute mitgebracht und am Ende gibt es noch eine leckere Insider-Empfehlung aus Nordamerika.
Bedanken möchte ich mich vorab noch einmal bei der deutschen Regierungsvertretung der Provinz von Québec CA, die mich zur Messe samt französisch-kanadisch angehauchten Tasting-Vorevent eingeladen hat.
* Enthält Werbung, Kooperation mit Québec CA*
1. Deutsche Traditionen – Zwischen Reinheitsgebot und fragwürdigen Gewohnheiten
Einmal ein Bier bitte.
Und du weißt, was du bekommst. Heutzutage in den ALLER-allermeister Fällen eben das klassische Pils. Maximal ein Helles oder Weizenbier im Süden, eventuell Kölsch bzw. Alt im Rheinland. Doch bleiben wir einmal beim Kern.
Warum immer Pilsener? Die einfache Erklärung ist da vielleicht, Pils kennt man eben und es wurde doch eh schon immer getrunken?!
Jein, sonst würde es ja nicht so viele alte Bierstile geben. Doch dafür bin ich wohl zu jung. Für mich gab es lange auch nur das reguläre Pils. Beliebt ohne Frage, auch wenn allerorts immer wieder gesagt wird „schmeckt eh alles gleich“.
Und nun… Importieren wir jetzt lieber ausländische Spezial-Biere?
Wohl kaum, auch wenn es einem als Bier-Anhänger manchmal so vorkommt. Doch die Geschäfte mit Bierspezialitäten (aus Übersee) sind immer noch verhältnismäßig rar gesät in Deutschland. In Statistiken taucht der Konsum von Craft Beer irgendwo unter ferner liefen auf. Maximal 5 Prozent vom Gesamtmarkt, sehr wohlwollend geschätzt. Davon erfreulicherweise aber auch viel deutsches Kreativbier.
Bei unserem netten Meet-up vor der Messe berichtete Bierkenner Matthias Kopp (bloggt unter bier-faktur.de) über die noch junge, kreative Bier-Szene in Deutschland. Vor allem aber auch ihre großen Herausforderungen. Zum Glück sind die Bier-Freunde aus Kanada nicht direkt geflüchtet, denn die derzeitige Entwicklung ist nicht unbedingt das, was sich Hersteller hochwertiger Genießer-Biere vorstellen.
Zwar geht die Zahl der kleinen Brauereien in Deutschland Jahr für Jahr nach oben. Doch stellt sich gleichzeitig die Frage, wer kann bislang wirklich vernünftig davon leben? Nicht allzu viele. Craft Beer Festivals hier und da, doch irgendwie auch immer die selben Bier-Nerds…
Eine verschworene Bewegung, von der wenige was mitbekommen. Oder sagen wir mal: nur am Rande. Das meine ich alles nicht böse. Jedoch ist die kreative Bierszene hierzulande längst noch nicht da, wo sie in anderen Ländern Europas steht… vom Craft Beer Wunderland, Nordamerika einmal ganz zu schweigen.
In Kanada und den Vereinigten Staaten wird bereits mindestens dreimal so viel Craft Beer getrunken, wie in Europa. Auch wenn wir Deutschen uns immer noch über die dortigen Light Biere lustig machen, zurecht 😀 Allerdings gibt es eben auch das komplette Gegenteil mit den tollsten Craft Beer in quasi jeder mittelgroßen Stadt mittlerweile, ich durfte es während meines Studiums live erleben (mehr dazu hier).
Was ist am Reinheitsgebot denn so verkehrt?
Zu guter Letzt´ in Punkto Tradition… das liebe deutsche Reinheitsgebot. Segen und Fluch zugleich. Einerseits internationales Aushängeschild für das qualitativ hochwertige deutsche Bier, anderseits doch auch irgendwie längst überholt in vielerlei Hinsicht. Wurde es vor gut 500 Jahren doch schlicht eingeführt, damit keine giftigen Substanzen in das Bier gelangen.
Craft Beer Brauer wie Oliver Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei sehen darin eher ein Hemmnis. So können Biere, die natürlich mit hochwertigen Zutaten hergestellt werden derzeit nur mit Ausnahmegenehmigungen als „Bier“ deklariert auf den Market gebracht werden. Hopfenextrakte bei Industriebieren sind hingegen kein Problem. Wo ist da die Logik: Künstliche Verstärker ja, Gewürze oder Fruchtzutaten nein? Macht irgendwie keinen Sinn.
Deutschland ist wirklich etwas speziell, geht mir durch den Kopf als ich zwischendurch auch mal einen Gin der Delegation aus Kanada probiere.
Beim Ausspruch, dass hier Tannennadeln aus den verschneiten Wäldern Kanadas zur Destillation verwendet werden, kommen mir schon Bilder und Gerüche in den Kopf. Es klingt zudem unheimlich rein. Mit irgendwelchen suspekten Extrakten und Farbstoffen, welche aus deutschen Industriebieren später rausgefiltert werden (Reinheitsgebot lässt grüßen), kann ich hingegen wenig anfangen. Klingt nicht gerade rein und natürlich.
2. Der (Lebensmittel-)Preis ist heiß
Jaja die Lebensmittelpreise in Deutschland. Willkommen im Land der Lidl und Aldis, im Land wo ein dickes Auto viel zu vielen Menschen mehr wert ist, als Tag für Tag einfach seinem Körper mit gutem Lebensmitteln was Gutes zu tun. Die eingeflogenen Gäste aus dem französischsprachigen Kanada rollen mit den Augen. Herrscht dort doch eher die französische Genuss-Mentalität.
Gute Lebensmittel haben ihren Preis. Sollte man meinen… Katharina Benz von der Delegation Quebéc berichtet beim Vorevent der interessierten Runde von aktuellen Zahlen. Ein Blick auf die Fakten, lässt einen erschrecken. Von 10 Euro Konsumausgaben geben wir in Deutschland gerade einmal einen Euro für Lebensmittel aus. Im Vergleich dazu sind es in Frankreich 1,33 Euro oder in Italien gar 1,43 Euro. Ich denke mir:
Nunja: Es ist wie, es ist… aber es wird was wir draus machen.
Es gibt ja glücklicherweise auch schöne gegenläufige Trends, wo wir sehen, dass hochwertige Lebensmittel wieder geschätzt werden. Nur beim Bier scheint sich das noch nicht so ganz durchgesetzt zu haben. Mosert man vielleicht noch zurecht bei überzogenen 12 Euro für die Maß auf dem Oktoberfest und Co., so lässt er sich im Falle von Craft Beer durchaus rechtfertigen.
Mal ganz abgesehen davon, dass Craft Beer ganz bestimmt nicht in Maßkrügen getrunken wird. Ein Craft Beer will in Ruhe genossen werden. Es ist eben KEIN Palettenbier für das nächste Festival und irgendwelche Partyausflüge.
3. Die Angst der Gastronomen (und Angst vor Neuem von uns Verbrauchern)
Das ist doch nur ein Trend mit diesem Craft Beer!
Ähhh ja… ein Trend, der sich erstaunlich lange hält und im europäischen Umfeld schon weitaus schneller gewachsen ist. Man muss sich halt einmal aus der klassischen Pilswelt heraus „wagen“. Als privater Verbraucher sowie vor allem als Gastronom. Denn, was nützen mir all die tollen Berichte und Festivals, wenn ich im Lieblingsrestaurant und der Kneipe ums Eck´ nach wie vor nur Pils sowie vielleicht Weizen und ein Dunkles bekomme.
Kleine Empfehlung gefällig? Am schönsten ist es doch immer, wenn wir auch eine kleine Hilfe bekommen und einem etwas Neues nicht kommentarlos auf den Tisch gestellt wird. Nicht wie beim Wein ist das beim Bier, aber leider nur selten der Fall.
Ein Teufelskreis:
- Als Gast traue ich mich nicht nach einem anderen Bier zu fragen oder weiß gar nicht, ob welches vorrätig ist.
- Die Bedienung denkt sich „mit dem klassischen Pils/Hellen sind doch eh alle zufrieden“.
Ergo: Wie soll ich neue Biere kennenlernen, wenn sich die Chancen so arg in Grenzen halten?
Doch nicht verzagen, ich versuche mit gutem Beispiel voran zu gehen. Hier wird noch einiges in Sachen Craft Beer folgen. Daher schließe ich heute direkt einmal mit einer kleinen kanadischen Bier-Lehrstunde vom Event.
Kennt ihr das klassische Craft Beer schlechthin?
Gemeint ist natürlich ein I.P.A. Das India Pale Ale besticht durch Fruchtigkeit, es ist recht voluminös (locker 3-4 % mehr Alkohol als ein Pils) und ist ziemlich bitter/herb. Von daher, meine Meinung:
IPA als allererstes Craft Beer? Lieber nicht….
Das ist natürlich jetzt sehr subjektiv, aber ich persönlich finde es nicht gerade adäquat für Einsteiger. Da traut man sich was Neues und wird direkt so erschlagen. Und beim nächsten mal, wenn es heißt:
Lust auf ein kanadisches Craft Beer?
Puhhh… erstmal wieder PILS. Das muss nicht sein!
Probiert doch lieber mal den Gegenentwurf zum IPA!
Die Rede ist vom North East Style IPA auch bekannt als NEIPA (New England I.P.A). Doch bleiben wir zunächst beim Namen, den ich an diesem Morgen in Düsseldorf von Lagabière präsentiert bekomme: cette délicieuse India Pale Ale de type « Nouvelle-Angleterre ». Äh was?! …Für englisch-sprachige Kanadier schlicht ein North East IPA.
Das habe ich vor zwei Jahren zwar schon in den trendigen Craft Beer Bars Quebéc Citys Vorort kennenlernen dürfen, jedoch dachte ich damals noch das wäre nochmals ein (komplett) anderer Style als das amerikanische New England IPA. Nein… NEIPA ist (mit all seinen unterschiedlichen Facetten) gleich NEIPA, zumindest was den Namen angeht.
Warum ihr ein NEIPA lieben werdet!
- Es ist unglaublich fruchtig statt einfach nur übertrieben bitter!
- Es ist tendenziell ein leichtes Bier und keine Alkoholbombe, wie manch andere Craft Beer Stile.
- Last but not least: Es ist unfiltriert und naturtrüb. Das sieht nicht nur hübsch bernsteinfarben aus, sondern schmeckt auch noch lecker. Leichte Rückstände von Hefe, Hopfen und Malz machen das NEIPA zu einem sehr facettenreichen Bier.
Eure Meinung zu Craft Beer auf Social Media
Jetzt seid ihr gefragt… Postet unter meinen Beitrags-Post auf Facebook und Instagram gerne einmal eure Meinung zum Thema „Craft Beer in Deutschland“ . Trinkt ihr Craft? Habt ihr schon einen Lieblingsbierstil und was sind bislang so eure Erfahrungen?
Würdet ihr auch auf die ProWein gehen, um euch nur an den Bierständen zu bewegen? Shame on me 😀 aber die Zeit war halt knapp. Da musste ich Prioritäten setzen.
In diesem Sinne Prost… auf ein gutes Bier. Ob in der Bar eures Vertrauens, beim Urlaub in Québec oder daheim, ganz egal. Probiert doch mal was aus.
Verwendete Quellen:
Lesenswertes FAZ-Interview mit Oli Wesseloh zum deutschen Reinheitsgebot (F.A.Z: Zum Tag des deutschen Bieres).
Hier gelangt ihr zu der besagten Studie mit den Lebensmittelausgaben in DE (Artikel der RP).
Mehr zu Québec findet ihr schön sortiert auf dem Internetangebot der deutschen Vertretung (Vertretung der Regierung von Québec).