Im Münsterland, einer historisch sehr konservativ geprägten Region Deutschlands, gibt es noch den Spruch: „Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich.“
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Doch was isst der Münsterländer heute? Eine Woche lang bin ich auf Einladung vom Münsterland e.V. und dem Journalisten-Zentrum Haus Busch auf Entdeckungsreise in der Region. Unter dem Motto: „Entdecke Dein Münsterland“* ist das genaue Thema ist für uns sechs Jung-Journalisten offen wählbar. Aber ich sagte es ja schon. Aus Neugier nehme ich mir vor eine kulinarische Rundreise in Angriff zu nehmen! Denn bis auf besagte Plattitüde fällt mir eigentlich nichts Konkretes ein, was die Münsterländer Küche wirklich ausmacht.
Schon am Montag auf meiner Anreise, von Dortmund kommend, haben mich entlang der Autobahn nach Münster die grünen, schier endlosen Felder begleitet. Das Münsterland mit seiner flachen Landschaft ist seit eh und je prädestiniert für die Landwirtschaft. Doch die nackten Zahlen machen mir schon vor der Reise einiges klar. Die Zeiten in denen gefühlt jeder Münsterländer aus bäuerlichen Hause kommt sind lange vorbei. Nichtsdestotrotz stellt sich mir die Frage, inwiefern prägt das Essen der Vorfahren noch die heutigen Essensgewohnheiten?
Samstag. Mittlerweile bin ich schon fünf Tage in und um Münster unterwegs. Besuche bei Gastronomen und Produzenten des Münsterlandes haben meine Woche geprägt. Heute werfe ich einen Blick hinter die Kulissen des samstäglichen Wochenmarkts in Münster. Bei über 150 Ständen, wie ich bereits am Vorabend erstaunt lese, hilft ein Blick auf den Marktplan. Der Münsteraner Domplatz wird von drei Seiten her von Baumreihen eingefasst. Im Westen folgt inmitten von Bäumen der Dom-Parkplatz, im Osten die Altstadt in Richtung Lambertikirche/Rathaus und an der Südseite verläuft die Domplatzstraße, dort sind auch die Bushaltestelle sowie reichlich Fahrradstellplätze. Im Norden bildet der St.Paulus-Dom die natürliche Begrenzung des Marktes. Auch die Struktur des Marktes lässt sich auf der Internetpräsenz erkennen. Alles gut sortiert nach den Schwerpunkten der Händler und zwischen all den Zelten oder Verkaufsmobilen müssen irgendwo kleine Gassen in Längs- sowie Querrichtung liegen, erahne ich. Markantes Merkmal ist zudem der diagonal verlaufende Mittelweg des Platzes. Vom Rathaus kommend hin zur Überwasserkirche, einmal von “unten links” nach “oben rechts”. Doch genug der Vorbereitung, ich kann den nächsten Morgen kaum abwarten.
*Quelle: Interessengemeinschaft der Marktbeschicker Münster Westf. e.V.
Münster Domplatz, halb sieben morgens…
Samstag. Der zweite Markttag der Woche auf dem Domplatz, mitten im Epizentrum der Region. Klarer Himmel an diesem Frühjahrstag, die Sonne strahlt bereits. Doch noch zieht ein sehr kühles Lüftchen durch die Gassen. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke noch einmal hoch. Mein Blick schweift durch die Gassen. Händler drapieren kiloweise Obst und Gemüse aus Kisten behutsam auf ihren Ständen. Das Geschehen wirkt sehr routiniert, jeder Handgriff scheint zu sitzen. Betriebsames Aufbauen, aber keine Hektik. Händler bereden sich mit ihren Mitarbeitern und bringen die letzten Preisschilder an. Zwischendurch bleibt noch etwas Zeit für einen dampfenden Kaffee.
Ich bewege mich zunächst nur auf dem großen Mittelgang, hier habe ich einen guten Überblick in die kleinen Gassen hinein. Der Weg selbst erscheint mir fast etwas überdimensioniert. Aber gut, so können hier auch die Kleintransporter der Händler problemlos durchkommen. Hier und da werden noch letzte Kisten abgeladen. Viertel vor Sieben. Zwischen den Ständen ist es noch menschenleer. Die Café-Büdchen am Dom-Parkplatz und der Dom-Mauer kurbeln langsam ihre Klappen hoch.
Ich bewege mich vom Mittelgang in das Zentrum des Marktes. Hier stehen die Gemüseverkäufer. Die Spargelberge werden immer weiter aufgetürmt, als würde es kein Ende mehr nehmen. Während die leeren Kisten zur Seite geräumt werden, sehe ich nun die ersten Münsteraner. Sehr zielgerichtet läuft eine ältere Dame zum Stand von „Bäcker´s Erdbeer- und Spargelhof“. Man scheint sich gegenseitig zu kennen, entnehme ich im Vorbeilaufen. „Schön, dass Sie wieder da sind“, sagt die Verkäuferin. „Ja, na klar. Mein Mann und ich haben uns schon die ganze Woche auf ihren Spargel gefreut. Alles jut bei Ihnen?“
Das ist ja fast so familiär, wie im Hofladen der Bäcker´s in Münster-Gelmer vor den Toren der Stadt, denke ich zurück. Auf dem Hof dieses Spargelproduzentens war ich nämlich gleich zu Beginn meiner Woche, am vergangenen Dienstag. Kaum zu glauben, was sich hier hinter den alten Scheunentoren in Münster-Gelmer versteckt. Eine hochmoderne Spargelaufbereitung. Die Maschinen waschen, sortieren und schälen an guten Tagen ganze sechs bis acht Tonnen Spargel, berichtet mir der junge Betriebsleiter Stephan Bäcker. Alles automatisiert, lediglich etwas Feinschliff, Kontrollarbeiten und Befüllen muss noch von Menschenhand erledigt werden.
Trotz alledem ist und bleibt die Spargelproduktion ein aufwändiges Geschäft. Spargelanbauer Stephan Bäcker und ich steigen in den Geländewagen. Wir fahren nur einen Kilometer weiter über die Feldwege, um uns die ersten Erntefelder anzuschauen. Bei sonnigen Wetter kommt es mitunter auf wenige Stunden an, um das “weiße Gold” rechtzeitig aus der Erde zu holen, erfahre ich. Sonst würden sich die Köpfe violett bis grün färben. Oder noch schlimmer, die Spargelköpfchen beginnen sich zu öffnen.
Wir laufen zwischen den Erdwällen umher, Stephan Bäcker zieht hier und da die Plane hoch, weist auf eine eigentlich unscheinbare Stelle hin: “Siehst du die leichten Risse in der Erde?” Ich muss schon ganz genau hinschauen, aber stimme schließlich zu. “Hier wurde die Erde von der Spargelstange im Untergrund schon leicht nach oben gewölbt. Jetzt wird es höchste Zeit, um den Spargel zu stechen.” sagt der Experte und kratzt etwas Erde weg. Siehe da, nur wenige Zentimeter unter der Erde finden wir die ersten erntereifen Stangen. In der Hochsaison in wenigen Wochen sind auf den Feldern des Familienunternehmens bis zu 150 Erntehelfer aus Polen im Einsatz. Kistenweise wird dann das Edelgemüse in reinster Handarbeit und Akkordtempo herausgestochen, um der Nachfrage gerecht zu werden.
Weiter fahre ich mit dem Chef zum nächsten Feld. Hier wächst der grüne Spargel, der hier Im Münsterland schon etwa zehn Prozent Marktanteil hat. Mittlerweile sind die grünen Stangen nicht mehr spät gestochene Triebe des regulären Weißspargels, wie früher mal. Stephan Bäcker stellt klar: “Als moderner Betrieb haben wir uns auf die wachsende Nachfrage natürlich eingestellt. Mittlerweile gibt es extra Züchtungen des grünen Spargels. Das geht eben schneller als auf die Triebe des weißen Spargels zu warten.” Eine weitere Maßnahme, um die Ernte zu beschleunigen sind die allgegenwärtigen Planen auf den Spargelfeldern des Münsterlands. Diese werden in der Saison regelmäßig von weiß auf schwarz gewendet (und wieder zurück), um das Wachstum entsprechend der Temperaturen zu justieren.
Auf dem Weg zurück erfahre ich zudem von den neu angelegten Heidelbeer-Feldern und Treibhäusern für „Früh-Erdbeeren“. Die aktuellen Markttrends gilt es eben im Auge zu haben, erzählt mir Stephan Bäcker. Aber, was ich vor allem begriffen habe hier auf den Spargelfeldern: Warum der Preis für seinen deutschen Spitzenspargel jetzt im Frühling auf dem Wochenmarkt so hoch ist.
Von Bäcker’s streife ich weiter durch die Gassen der Obst- und Gemüsestände. Ab acht Uhr füllt sich der Markt jetzt doch allmählich. Ein Herr fragt am Verkaufszelt von “Obst- und Gemüse Papenbrock” nach: „Sind das denn schon deutsche Erdbeeren?“ Die prompte Antwort: „Ja, aus der Region natürlich“. Heimische und regionale Produkte sind wohl gefragt.
Fürs Heimische und Regionale im Münsterland steht auch Thomas Kliewe. Den habe ich erst tags zuvor in Beckum, im Südosten des Münsterlands, besucht. Im Herzen der Kleinstadt betreibt der gelernte Hotelbetriebswirt und Koch in mittlerweile siebter Generation das “bei Kliewe im Westfälischen Hof”. Ein familiengeführtes Hotel-Restaurant, welches seit 2008 Mitglied der regionalen Speisekarte „Das Münsterland Siegel“ ist. Eine Initiative, die sich für hochwertige Lebensmittel aus dem Münsterland einsetzt. Auf der Grünen Woche in Berlin hat Thomas Kliewe als Genussbotschafter des Münsterlandes sogar schon für die Bundeskanzlerin gekocht.
Als ich am frühen Vormittag auf der Sonnenterrasse des Lokals ankomme, begrüßt mich Thomas Kliewe. Von einer Treppe des Hotels herunterkommend, noch im Gespräch mit einem Gast, ruft er mir schon aus der Ferne zu: “Morgen Frederik, wir können direkt in die Küche, sind schon fleißig dabei den Mittagstisch vorzubereiten. Ich komme sofort.” Ich muss schmunzeln nachdem ich so unvermittelt aber locker begrüßt werde und bin zugleich begeistert von dieser umtriebigen Art. Wir unterhalten uns noch kurz auf der Terrasse, gehen dann aber schnell in die Küche.
Thomas Kliewe zeigt mir frische Lebensmittel, die diese Woche im Restaurant verarbeitet werden. Limousin-Rindfleisch vom Bauern wenige Kilometer entfernt, Lachsforellen aus Ennigerloh, Kartoffeln und Spargel aus dem Münsterland sowie noch vieles mehr. Bevor wir über konkrete Gerichte sprechen, stellt mir der passionierte Koch seine Philosophie vor und spricht über die Lebensmittelerzeuger/Lieferanten als Allererstes.
Thomas Kliewe stellt klar: „Eine bewusste Auswahl hochwertiger Produkte aus der Region ist Dreh- und Angelpunkt unserer Karte. Ich kenne meine Bauern, stehe bei ihnen auf dem Feld und abends kommt der wiederum selber zum Essen vorbei.“
In seiner Speisekarte ist Thomas Kliewe hierbei flexibel. Je nachdem, welche Frischware gerade reinkommt, können Tagesgerichte und die Wochenkarte gestaltet werden. Natürlich gibt es auch bei Kliewe ein paar “Allerwelts-Gerichte”, wie einen grünen Fitness-Salat mit Putenbrust. Dann aber auch bitteschön mit hochwertigem Geflügelfleisch, knackigen Salaten der Saison, hausgemachten Dressings und frischen Kräutern.
Strahlend erzählt er: “Hier den Bärlauch habe ich vorgestern sogar selbst gesammelt. Die Natur haben wir ja direkt vor der Haustür.”
Auf Convenience verzichtet Thomas Kliewe fast ausschließlich, auch wenn er immer wieder mit dem Preisdruck der Branche konfrontiert wird. Voller Elan führt Kliewe fort: „Die Münsterländer Gäste sind eigentlich ein dankbares Publikum, treu und bodenständig. Daher kochen wir auch westfälisch bodenständige Küche, regional und saisonal halt. Keine teure Sterneküche.“
Ich erkundige mich, wie es gelingen kann junge Generationen wieder für heimische Küche zu begeistern. Thomas Kliewe nickt: “Wir freuen uns natürlich über junge Gäste, die das eben auch für sich entdecken. Bei uns lässt es sich eben wirklich genießen und es wird frisch gekocht, das ist der große Unterschied!” Derweil kommen die ersten Mittagsbestellungen rein. Heute gibt es frisches Hühnerfrikassee. Der Preis für das Tagesgericht liegt bei unter 10 Euro und erscheint mir überaus fair. Der Gastronom knüpft hier noch einmal an: “Ja genau. Letztlich zahlt man auch gar nicht so viel mehr als bei irgendeinem Fast Food Restaurant. Diesem Vergleich muss man sich heutzutage ja auch stellen, ob man will oder nicht.“
Zurück auf dem Markt mache ich mich auf die Suche nach der “Tirolerin”. Eine Tirolerin auf dem Münsteraner Markt? Nicht ganz. Rita Westhoff kommt gebürtig aus Münster und verkauft seit etwa zwei Jahrzehnten hier am Dom ihre Tiroler Spezialitäten. Als Marktbeschickerin hält sie zudem die Händlerschaft allwöchentlich zusammen. Beim Aufbau der Stände angefangen hin zu den großen Fragen der Zukunft. Rita Westhoff erzählt: „Wir dürfen die Trends der Zeit nicht verschlafen, ganz klar. Doch ich bin optimistisch, dass wir das hinbekommen.” Mit ihrem Stand steht sie mitten auf dem Domplatz, direkt am großen Mittelweg auf der Marktseite gen Landesmuseum.
Rita Westhoff zeigt in die verschiedenen Himmelsrichtungen, gibt mir einen kleinen Überblick zur Angebotsvielfalt und erzählt weiter: “Wir sind wirklich breit aufgestellt mit unserem Angebot an Ständen und sind immer offen für Neues. Dennoch findet auch der kleine Bauernhof als Direktvermarkter immer noch seinen Platz. Das soll auch so bleiben.“
9 Uhr, es wird noch einmal belebter auf dem Domplatz, aber noch kann ich mich in Ruhe umschauen. Ich laufe durch die letzte Quergasse vorm Rathaus-/Lambertikirche-Ausgang und bin in der Tat ein wenig überrascht, was sich so alles finden lässt bei genauerem Hinsehen. So entdecke ich untere anderem einen Smoothie-Stand oder ein Verkaufsmobil mit edlen BBQ-Fleisch aus aller Welt. Ich gehe auf die Kaffeestände am Dom zu.
Viertel vor Zehn. Kein Vergleich mehr zu den frühen Morgenstunden. Nun sind die Stehtische der Kaffeestände heiß begehrt. Die Verkäufer an den Ständen halten sich knapp beim Kundenplausch, um dem Andrang noch Herr zu werden. Herrliches Frühlingswetter, es ist warm geworden und die Menschen scheinen ganz in Ruhe ihren Kaffee unter den nun aufgespannten Sonnenschirmen zu genießen.
Hinter den Kulissen des Wochenmarkts
Ich biege derweil rechts ab und spaziere zum Rathaus, denn jetzt bin ich eingeladen zu einem geführten Marktrundgang von “k3 stadtführungen”. Eine Gruppe von zehn Interessierten sammelt sich unter den Spitzbögen des Rathauses, der Startpunkt für die Tour. Guide Barbara Blasum kommt ebenfalls gerade erst vom Domplatz, denn sie hat sich noch bei einigen bekannten Händlern für unsere Tour angekündigt. Die Stationen seien immer etwas unterschiedlich, je nachdem welche Händler gerade verfügbar seien, erklärt unsere Wochenmarkt-Expertin der nächsten zweieinhalb Stunden.
Vom Rathaus laufen wir über den Prinzipalmarkt zur Lambertikirche. Dort berichtet Barbara von der Historie des Marktes, „… welcher nach einem Beschluss aus dem Jahr 1901 auf den Domplatz zog, was mit der Einführung der Straßenbahn auf dem Prinzipalmarkt zu tun hatte. Bis dahin weigerten sich die Münsteraner Bischöfe ihren repräsentativen Platz für das Markttreiben des Volkes frei zu geben. Der zentrale Markt fand daher lange Zeit rings um die Lambertikirche statt. Zunächst unter den Dachvorsprüngen der Häuser, die mehr und mehr für den Markt ausgelegt wurden. Dann aber auch mit freistehenden Ständen, Pferdewagen und Holzkarren. Noch heute erinnern manche Straßenschilder an den frühzeitlichen Handel innerhalb der Stadtmauern: Roggenmarkt, Fischmarkt, Salzstraße und nicht zuletzt der Straßenzug “Prinzipalmarkt” (ehemals der “Hauptmarkt”). Wir laufen zum Domplatz, ich erkundige mich direkt mal nach der realen Bedeutung des Münsteraner Wochenmarktes im “Supermarkt-Zeitalter” des 21. Jahrhunderts.
Überrascht lausche ich Barbaras Worten: “An der Wichtigkeit des Marktes hat sich in all den Jahrhunderten wenig geändert. Noch heute ist der Wochenmarkt wichtiger Nahversorger für Frisch-Lebensmittel für alle Bewohner der Kernstadt.”
Langsam erschließt sich mir das rege Treiben. “Wenn alle paar Jahre mal ein Sturm wütet, wie Friederike jetzt Anfang des Jahres, schauen die Leute erst einmal bescheiden.”, fügt die gebürtige Münsteranerin hinzu.
In der Gasse mit den Fleischhändlern des Marktes laufen wir nun vorbei an einem Verkaufsmobil mit auffälligen, orangefarbenen Angebotsschildern. Die einlaminierten Pappschilder mit schwarzer Schrift hängen an beiden Seiten der Sonnenmarkise, rahmen die gut besuchte Verkaufstheke ein. Ich lese “Alles vom Pferd” und schweife mit dem Blick die Tafel hinunter: “Rouladen, Gulasch, Sauerbraten”. Das Geschäft mit dem Pferd scheint nach wie vor zu laufen, erweitert mit Lamm- und Wildfleisch-Spezialitäten.
Die kulinarische Tour macht schließlich Halt am Wagen vom “Naturland Hof Büning”. Doch nicht nur Bio ist auf Bünings Hof angesagt. Als weiteren Zusatz am Wagen sehe ich die Aufschrift “Archehof”. Im Schatten der Bäume hinter dem Verkaufsstand entfliehen wir kurz dem Trubel der letzten Marktgasse vor der Altstadt. Maria Büning, die Chefin des Hofes kommt zu uns. Sie trägt eine dunkelblaue Schürze mit der Aufschrift “Bunte Bentheimer” und steigt direkt mitten in das Thema ein. “Wir sind ein sogenannter Archehof!”, sagt die Landwirtin. Stirnrunzeln in der Runde. Maria Büning grinst: “Das heißt wir züchten gefährdete Nutztierrassen, wie beispielsweise das Bentheimer Schwein. Wir sind damit einer von nur 100 Höfen in Deutschland, die sich dafür stark machen.” Gleich dreimal wöchentlich (neben den regulären Wochenmarkt-Terminen, auch beim ökologischen Wochenmarkt am Freitag) baut der Verkaufswagen hier auf dem Domplatz auf. Der Hof liegt 20 Kilometer in Laer bei Münster und lebt von der Direktvermarktung, wie wir erfahren.
Freudig reicht uns Maria Büning ein paar Kostproben des hofeigenen Knochenschinkens, der Salami sowie Mettwurst vom Bentheimer Schwein. ”Die Kunden schätzen unsere Ware. Natürlich kostet unser Kochschinken deutlich mehr. Doch dafür sind die Herden klein und die Futtermittel erzeugen wir in Bioqualität auf unseren eigenen Feldern.“
In der Runde stellt sich da die Frage nach all den Maisfeldern im Münsterland. Diesen Punkt sieht Maria Büning kritisch und weist auf die explosionsartige Ausbreitung der Biogasanlagen hin. Versöhnliche Worte findet sie aber dennoch: “Die Verbraucher haben unheimlich viel Macht. So ein Bild kann sich auch wieder wandeln, wenn jene Anbauflächen eben für Lebensmittel und heimische Futtermittel benötigt werden.”
Von einer Pionierin für hochwertiges Bio-Fleisch gelangen wir schließlich zum wohl bekanntesten Anbieter mediterraner Kost. “Der Olivenstand” – ein Name, der schon alles sagt. Eine Vielzahl von Holzschalen mit mediterraner Feinkost prägen das Bild unter dem Verkaufszelt. Oliven in jeder erdenklichen Form – mariniert, eingelegt, mit Käse gefüllt oder eher naturell gehalten. Zudem eingelegte Tomaten, Peperoni und italienische Brotspezialitäten. Weiter sehe ich Antipasti und natürlich Fetakäse. Wir stehen an der Kopfseite des Standes, am belebten Querweg Richtung Rathaus. Hier präsentiert Martin Winterhoff auf einem großen Holzkarren in den darauf montierten Regal kaltgepresste Olivenöle und edle Essige. Vor den Fläschchen stehen aufgereiht ein paar kleine Schälchen zum Probieren.
Der heute vertraute Blick auf das mediterrane Wochenmarktangebot täuscht. Vor 30 Jahren erklärten Winterhoffs Freunde ihn noch für verrückt, erzählt er. Oliven auf einem westfälischen Wochenmarkt – das passe einfach nicht. “Als kleiner Junge wuchs ich in einer Zeit des Gastarbeiter-Zuzugs aus den südeuropäischen Ländern auf. Natürlich brachten die ihre Speisen mit in das Münsterland!”, so beschreibt der Oliven-Experte seine ersten Berührungspunkte. Wir kosten grüne Oliven aus der Provence. Ich hake derweil noch einmal nach, wie es weiterging mit den Oliven.
Winterhoff strahlt: “Als ich als kleiner Junge die ersten Oliven beim Italiener probierte, hat mich der ungewohnte Geschmack irgendwie gepackt. Viele Jahre später, war die Zeit reif auch endlich auf dem Wochenmarkt ein Angebot für den Alltag zu schaffen. Wir waren die Ersten.”
Die Münsteraner haben die mediterranen Köstlichkeiten schätzen und lieben gelernt. Urlaubserinnerungen für die Küche daheim. Doch das Vertrauen der Münsterländer musste erst einmal aufgebaut werden in jahrelanger Arbeit. Der Mut damit hier auf dem Domplatz zu starten zahlte sich aus. So schlägt “Der Olivenstand” nunmehr auf 23 Wochenmärkten die Zelte auf. Von Ibbenbüren im äußersten Norden des Münsterlands bis nach Bochum im Ruhrgebiet.
Wir laufen am linken Marktrand von der Altstadt kommend, nun gen Domparkplatz/Landesmuseum weiter. Nächster Stopp ist der Käsehändler Palczinski, besser bei Einheimischen bekannt als “Die Käsetüte”. Zentrales Angebot seines Standes ist nämlich die “gemischte Käsetüte”. Ein Kilo bester Käse für nur 7,99 Euro. Ein unschlagbares Angebot, das so gar nicht vorgesehen war. ”Früher haben die Studenten immer nach den übrigen Käseecken gefragt”, sagt Barbara, während ich mit dem Holzpiekser in den uns servierten Spargel-Käse pieke. “Die Nachfrage war dann irgendwann so groß, dass sich die Käsehändler die Idee auf die Fahnen geschrieben haben. Das läuft nun schon seit drei Jahrzehnten unglaublich gut.”
Ich blicke derweil einmal hinter den Stand, ob ich mein Fahrrad noch wiederfinden kann. Dieses habe ich am Morgen unweit von der Bushaltestelle hier irgendwo abgestellt. Aus der Entfernung ein schier nicht zu überblickendes Meer an kreuz und quer angeketteten Rädern. Puhhh. Das lasse ich erst einmal angekettet bis der Mark abgebaut ist und ich entspannt wieder an meinen Platz komme, denke ich mir. Wir laufen langsam weiter bis zur Ecke der Kaffeebuden am unteren Wochenmarkt-Eingang. Hier ist nun jede Bank belegt und die Leute genießen ihre halben Käsebrötchen mit einer Ecke Pumpernickel als Garnitur obendrauf. “Das hat schon was!”, sage ich begeistert zu Barbara.
Wir biegen nun rechts ab in Richtung Dom und Markt-Mittelgang kurz vor der Kreuzung mit den Blumenhändlern. Zentral gelegen, an den Wegen vom mittlerweile, ebenfalls vollkommen zugeparkten Dom-Parkplatz, befindet sich hier das “Pralinenhäuschen”. Wir halten inmitten des Marktgetümmels, hier scheint es keinen Ausweg zu geben, außer sich halbwegs hinter den Stehtischen zu postieren. Mittlerweile haben wir fast 12:00 Uhr und von gefühlt allen Gassen ziehen größere Gruppen, offensichtlich Touristen zum Dom. Barbara erklärt, dass dort um Punkt 12:00 Uhr ein Glockenspiel zu beobachten ist.
Derweil bringt uns der Pralinenhaus-Chef, Rolfs Kampshoff, ein Tablett mit kleinen Pappbechern. ”Kakao auf Basis frisch geschmolzener Zartbitterschokolade in bester Praliné-Qualität. Kein Pulver. So etwas kannten die Münsterländer noch nicht. Hat super eingeschlagen.”, so preist er seinen Star der Karte an.
Eigentlich ist das Wetter mittlerweile viel zu warm für heiße Schokolade. Doch bei solch einleitenden Worten werde ich neugierig. Lecker ist der Kakao auf jeden Fall, doch vielleicht doch lieber im Morgentau nächstes Mal.
Doch sei es drum. Ich lausche den Abschlussworten von unserem Guide des Vormittags und mache mir Gedanken, was denn nun typisch münsterländisch sein soll. Viele Eindrücke reicher, aber auch irgendwie verwirrt inmitten von Knochenschinken und Praliné-Schokolade stehe ich in der Mittagssonne Münsters…
Wie geht der Tag nach dem Wochenmarkt weiter? Und: Kann ich mir noch einen Reim auf all die Eindrücke der Woche im Münsterland machen?
Nächste Woche folgt Teil II meines kulinarischen Rundgangs: „Zwischen Münsterländer Töttchen und Bio Craft Beer“
Dieser Artikel entstand im Rahmen der Pressereise „Entdecke Dein Münsterland“ auf Einladung vom Münsterland e.V. und dem Journalisten-Zentrum Haus Busch.